Mehr Klarheit darüber, wie der Körper unser Immunsystem steuert

Ein EU-unterstütztes Wissenschaftsteam weiß jetzt, wie bestimmte Proteine körpereigene Zellen schädigen können.

Unter dem Membranangriffskomplex versteht man eine Reihe von Proteinen, die normalerweise auf der Oberfläche der Zellmembranen von Krankheitserregern gebildet werden. Sie stanzen winzige Löcher in die Membranen eindringender Bakterien. Die Bakterien sterben schließlich, wenn genügend Löcher gestanzt wurden. Sobald ein Eindringling entdeckt wird, produziert unser Immunsystem viele Membranangriffskomplexe. Diejenigen, die ihr Ziel nicht erreichen, gelangen in den Blutkreislauf, wo sie Schaden anrichten können.

Bei mangelnder Gegensteuerung führen Membranangriffskomplexe direkt zu Kollateralschäden an gesunden Zellen und verursachen menschliche Krankheiten. Um ihre Aktivitäten in Schach halten zu können, ist ein tiefer Einblick in ihre Struktur und Funktionsweise erforderlich.Spezielle Chaperon-Proteine namens Clusterin und Vitronectin helfen, unerwünschte Angriffe durch diese Proteinkomplexe zu verhindern. Über den Prozess ist sich die Wissenschaft jedoch im Unklaren. Dieses Verständnis fehlte – bis jetzt.

Forschende, die im Rahmen der EU-finanzierten Projekte Controlling MAC und EPIC-XS unterstützt werden, haben herausgefunden, wie diese speziellen Proteine im Blut das Immunsystem davon abhalten, unsere eigenen Zellen mit überproduzierten Molekülen zu schädigen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht. Vorläufermoleküle von Membranangriffskomplexen, die an die Chaperon-Proteine gebunden sind, wurden eingefangen und besonders detailliert untersucht. Dadurch ließ sich erkennen, wie die Chaperone verhindern, dass Membranangriffskomplexe vollständige Funktionsfähigkeit erreichen.„Wenn ein Krankheitserreger entdeckt wird, schaltet unser Immunsystem auf Hochtouren, um Membranangriffskomplexe zu produzieren, doch nicht alle von ihnen erreichen ihre Zielbakterien. An dieser Stelle fanden wir heraus, wie Chaperone im Blut die entkommenen Moleküle abfangen und sie daran hindern, menschliche Zellen zu schädigen“, erklärte die leitende Forscherin Dr. Doryen Bubeck vom Controlling MAC-Projektkoordinator Imperial College London in einer Pressemitteilung. „Wenn man beobachtet, wie diese Proteine Membranangriffskomplexe abbremsen, liefert dies die ersten Hinweise darauf, wie dieser Zweig des Immunsystems gesteuert werden kann. Es wird auch ersichtlich, wie diese Chaperone andere schädliche Proteine im Blut abfangen könnten.“

Die Ergebnisse zeigen, dass Clusterin sich an eine Vorläuferversion des Membranangriffskomplexes bindet, die in unserem Blutkreislauf gelöst ist. Infolgedessen wird der Komplex davon abgehalten, mehr von den Komponenten herzustellen, die er benötigt, um sich vollständig anzureichern und Löcher zu stanzen.

Die Forschung könnte auch Anhaltspunkte dafür geben, wie spezielle Chaperon-Proteine die Anhäufung anderer schädlicher Moleküle verhindern können, die beispielsweise mit der Alzheimer-Krankheit in Verbindung gebracht werden. Erstautorin Anaïs Menny, ebenfalls vom Imperial College London, stellte fest: „Wenn Clusterin die gleiche Methode anwendet, um die Anhäufung von Beta-Amyloid zu erkennen und zu verhindern, wie es dies bei Membranangriffskomplexen tut, dann könnten wir einige wirklich interessante Einblicke in die Entstehung der frühen Vorläufer von Alzheimer erhalten.“

Das Hauptziel von Controlling MAC (Structural basis of controlling the membrane attack complex) besteht darin, die molekularen Mechanismen zu erforschen, die den Aufbau des Membranangriffskomplexes unterstützen. Das Projekt endet im Juni 2025. EPIC-XS (European Proteomics Infrastructure Consortium providing Access) bietet Zugang zu hochmodernen Proteomikeinrichtungen und fördert neue Proteomik- und Bioinformatikansätze. Proteomik bezeichnet die umfassende Erforschung von Proteinen. Das Projekt läuft im Dezember 2022 aus.

Weitere Informationen:

Das Projekt Controlling MAC

EPIC-XS-Projektwebsite


Datum der letzten Änderung: 2022-01-05 17:15:01
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