Atom-Manipulation in Silizium bittet zum „Atom-Walzer“

Eine zerstörungsfreie Methode, mit der Donator-Verunreinigungen in einem Siliziumgitter atomgenau manipuliert werden, könnte den Weg für die Herstellung von Festkörper-Qubits ebnen.

Im Wettlauf um die Quantenüberlegenheit haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedene Architekturen erforscht. Das Festkörper-Qubit – die Grundeinheit der Quanteninformationsverarbeitung – ist eine davon. Aber wie lässt sich ein Qubit herstellen? Die bisherigen technologischen Errungenschaften der Industrie bei der Siliziumherstellung sowie die Vorteile, die sich aus den Eigenschaften des Siliziums selbst ergeben, haben die Aufmerksamkeit auf die nuklearen Spins der positiv geladenen Donatoratome im kristallinen Silizium gelenkt. Die Konstruktion solcher Qubits gestaltet sich jedoch schwierig. Ein Haupthindernis besteht in der genauen Positionierung dieser Donator-Verunreinigungen, der so genannten Dotierstoffe, die in winzigen Mengen hinzugefügt werden, um die Eigenschaften des Siliziums zu verändern.

Unter der Leitung der Universität Wien untersuchte ein internationales Forschungsteam das Verhalten von Dotierstoffen der Gruppe V – Phosphor, Arsen, Antimon und Wismut – in Silizium unter Elektronenbestrahlung. Mit teilweiser Unterstützung des EU-finanzierten Projekts ATMEN hat das Team nun einen zerstörungsfreien Weg entdeckt, um Dotierstoffatome in einem Siliziumgitter mit atomarer Präzision zu bewegen. Dieser neuartige Mechanismus wird als indirekter Austausch bezeichnet. Dabei sind zwei benachbarte Siliziumatome an einem sogenannten koordinierten atomaren „Walzer“ beteiligt, wie in einem Artikel der Universität auf „Phys.org“ beschrieben wird. Die im „Journal of Physical Chemistry C“ veröffentlichten Erkenntnisse des Teams sind möglicherweise ein Schlüssel zur Herstellung von Festkörper-Qubits.

Um dieses Ziel zu erreichen, nutzten die Forschenden die Rastertransmissionselektronenmikroskopie – eine Technik, die einen fokussierten Elektronenstrahl verwendet, um stark gebundene Materialien mit atomarer Präzision zu manipulieren. „Die einzigartige Stärke dieser Technik besteht darin, dass sie nicht nur auf Oberflächenatome, sondern auch auf Verunreinigungen in dünnen Massenkristallen zugreifen kann“, bemerkt der Seniorautor, Assistenzprofessor Toma Susi, von der Universität Wien. „Dies ist nicht nur eine theoretische Möglichkeit: Der erste Konzeptnachweis für die Manipulation von Wismut-Dotierstoffen in Silizium wurde kürzlich von unserer Kollegschaft in den Vereinigten Staaten demonstriert.“

Das Team fand heraus, dass es bei dem beobachteten indirekten Austauschmechanismus einen Mitnahmeeffekt gibt: Das Dotieratom nimmt die Gitterposition ein, die ursprünglich vom betroffenen Siliziumatom besetzt wurde. Anders als bei Materialien wie Graphen wird das Siliziumatom jedoch nicht zum Nachbarn der Donator-Verunreinigung. Stattdessen positioniert es sich als zweitnächster Nachbar und verdrängt ein anderes Siliziumatom.Dieser Prozess läuft jedoch nur mit den beiden schwereren Dotierstoffen der Gruppe V, Antimon und Wismut, ab. Für die beiden leichteren, Arsen und Phosphor, wiesen die Simulationen keinen indirekten Austausch nach. „Dieser Mechanismus funktioniert nur für die beiden schwereren Donatorelemente Wismut und Antimon. Entscheidend war jedoch, dass er zerstörungsfrei ist, da keine Atome aus dem Gitter entfernt werden müssen“, erläutert der Erstautor Dr. Alexander Markevich, ebenfalls von der Universität Wien.

Die Manipulation von Bismut-Dotierstoffen war also bewiesen. So konnte das Team nun erstmals zeigen, dass Antimon-Verunreinigungen in einer dünnen kristallinen Siliziumplatte mit Hilfe von Rastertransmissionselektronenmikroskopie erfolgreich manipuliert werden können. Was bedeutet dies nun für die Herstellung von Qubits? Assistenzprofessor Susi erklärt: „Vor kurzem wurden Antimon-Dotierstoffe in Silizium als vielversprechende Kandidaten für Festkörper-Kernspin-Qubits vorgeschlagen. Unsere Arbeit könnte demnach einen Weg für ihre deterministische Herstellung bereiten.“ Das Projekt ATMEN (Atomic precision materials engineering) endet im September 2022.

Weitere Informationen:

ATMEN-Projekt


Datum der letzten Änderung: 2021-10-16 17:15:01
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