Die Genetik der Paprika erzählt ihre Geschichte

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten über 10 000 Paprikaproben von Spanischem Pfeffer (Capsicum annuum) aus Genbanken weltweit, um einen Einblick in die Geschichte dieses weit verbreiteten Lebensmittels zu gewinnen.

Für Nichtfachleute mag die genetische Vielfalt wie ein abstraktes Konzept erscheinen, das nur die Wissenschaft tangiert, aber die Realität sieht ganz anders aus. Ist eine Population genetisch gesehen weniger vielfältig, verliert sie ihre Fähigkeit, sich an Umweltveränderungen anzupassen und sich weiterzuentwickeln, wodurch sie einem höheren Risiko des Aussterbens ausgesetzt ist. Als Forschende vor etwa einem Jahrhundert auf den fortschreitenden Verlust der genetischen Vielfalt bei Nutzpflanzen aufmerksam wurden, begannen sie mit der Einrichtung von Genbanken.

Genbanken für Pflanzen sammeln Stecklinge und Saatgut als Reserve für genetisches Material zur Erhaltung und Züchtung, um die genetische Vielfalt von Pflanzenarten zu erhalten. Heute gibt es weltweit mehr als 1 750 Genbanken, die zusammen etwa 7,4 Millionen Akzessionen (Gruppen von verwandtem Pflanzenmaterial, die eine Sorte, Zuchtlinie oder Population repräsentieren) verwalten.

Im Rahmen des EU-finanzierten Projekts G2P-SOL haben Forschende nun genetische Daten aus großen internationalen Sammlungen von Gendatenbanken analysiert, um die genomische Vielfalt und die Populationsstruktur von wildwachsenden und domestizierten Paprika zu untersuchen. Ihre Studie untersucht die Evolution der Pflanze und liefert ein Modell für die Verbreitung von Arten der Gattung Capsicum annuum, das den menschlichen Handel sowie historische und kulturelle Einflüsse widerspiegelt. „Wir haben eine riesige genomische Untersuchung von über zehntausend Paprikaproben (Capsicum spp.) aus weltweiten Genbanken durchgeführt und die Daten verwendet, um die Geschichte dieses beliebten Grundnahrungsmittels zu untersuchen“, erklärte der Hauptautor der Studie, Dr. Pasquale Tripodi vom G2P-SOL-Projektpartner Council for Agricultural Research and Economics, Italien, in einer auf „Phys.org“ veröffentlichten Pressemitteilung.Das Team untersuchte 10 038 Akzessionen von 14 Paprika-Arten und -Unterarten, die aus 130 Ländern auf fünf Kontinenten stammten, auf ihre Genotypisierung. Wenn Keimplasma – das lebende Gewebe, aus dem neue Pflanzen gezüchtet werden können – gemeinsam genutzt und nicht einheitlich dokumentiert wird, führt dies nach Ansicht der Autorinnen und Autoren der Studie häufig zur Entstehung schwer identifizierbarer Dubletten innerhalb sowie zwischen Genbanken, was sich möglicherweise auf genomische Populationsanalysen auswirkt. Mit den in der Studie gewonnenen Genomdaten konnten doppelte Akzessionen – insgesamt 1 618 – identifiziert werden. „Dieses signifikante Ausmaß an Dubletten sollte die Entwicklung von Protokollen zum genetischen Vorab-Screening anregen, die in Genbanken eingesetzt werden können, um potenzielle Dublettenproben beim ersten Zugang zu dokumentieren“, erklärte der Hauptautor Prof. Dr. Nils Stein vom Projektpartner, dem Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Deutschland.

Bei der Analyse der genetischen Vielfalt von Capsicum annuum und der Erforschung seiner Geschichte stellte das Team erhebliche Überschneidungen zwischen den Paprikasorten fest, die in verschiedenen Regionen der Welt gesammelt wurden. Zur Ergänzung der traditionellen populationsgenetischen Analysen wurde eine Methode namens ReMIXTURE entwickelt, um die Ähnlichkeit zwischen Paprika aus einer Schwerpunktregion und Paprika aus anderen Regionen zu quantifizieren.

Die Ergebnisse zeigen, dass menschliche Präferenzen die genetische Struktur von domestiziertem Paprika stark beeinflusst haben. Sie „spiegeln eine Vision von Paprika als höchst begehrtem und handelbarem Kulturgut wider, das sich entlang der großen maritimen und terrestrischen Handelsrouten schnell über den gesamten Globus verbreitete“, so der erste Mitautor Dr. Mark Timothy Rabanus-Wallace, ebenfalls vom Leibniz-IPK. „Ein wichtiger Faktor für die frühe Anziehungskraft des Paprikas war sicherlich dessen Schärfe, insbesondere im nicht-tropischen Europa, wo scharfe Gewürze selten waren und importierter schwarzer Pfeffer gute Preise erzielen konnte.“ Die Studie G2P-SOL (Linking genetic resources, genomes and phenotypes of Solanaceous crops) wurde in den „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“ veröffentlicht.

Weitere Informationen:

G2P-SOL-Projektwebsite


Datum der letzten Änderung: 2021-09-27 17:15:01
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