Warum schlägt die Immuntherapie bei manchen krebskranken Menschen nicht an?

Einer neuen Studie zufolge haben an Krebs leidende Patientinnen und Patienten mit Varianten des humanen Leukozytenantigens der Klasse I (HLA I), die an eine Vielzahl von Peptiden binden, schlechtere Überlebenschancen bei einer Immuntherapie.

Der humane Leukozyten-Antigen-Komplex ist ein wichtiger Bestandteil unseres Immunsystems. Er wird von Genen auf dem menschlichen Chromosom 6 gesteuert und kodiert für Zelloberflächenproteine, die eine Schlüsselrolle bei der Erzeugung von Immunantworten spielen.

Da HLA-Gene hochgradig polymorph sind, mit einer Vielzahl von Allelen – Varianten eines Gens – tragen sie zur Feinabstimmung des Immunsystems bei. HLA-I-Gene haben Einfluss auf die Immunantwort unseres Körpers auf Krankheitserreger und Krebs. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, dem Immunsystem Peptidantigene zu präsentieren, die es zerstören soll. Es ist bekannt, dass einige HLA-I-Allele als Generalisten fungieren und im Vergleich zu anderen ein breiteres Spektrum an Peptiden binden können, was möglicherweise die Bekämpfung vieler Viruserkrankungen unterstützt. Aber inwiefern beeinflusst dies die Immunreaktion auf Krebs?

Forschende, die von den EU-finanzierten Projekten resistance evolution sowie HCEMM unterstützt wurden, fanden nun heraus, dass krebskranke Menschen mit HLA-I-Allelen, welche an ein breites Spektrum von Peptiden binden, nach einer Immuncheckpoint-Inhibition eine deutlich schlechtere Prognose erhalten. Diese Ergebnisse wurden in der Zeitschrift „Nature Cancer“ veröffentlicht.

„In unseren früheren Forschungsarbeiten haben wir gezeigt, dass Generalisten das Immunsystem befähigen, mehr Krankheitserreger zu erkennen und zu zerstören. Dies lässt sich durch die geringfügige Ähnlichkeit zwischen menschlichen und erregerassoziierten Proteinen erklären“, beobachtete der Hauptautor der Studie, Dr. Máté Manczinger vom Biologischen Forschungszentrum in Ungarn, in einer auf „ecancer“ veröffentlichten Pressemitteilung. „Daher präsentieren Generalisten vergeblich mehr Selbstproteine, denn das Immunsystem kann Krankheitserreger ohnehin problemlos von menschlichen Zellen unterscheiden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei generalistischen HLA-Molekülen die Quantität die Peptidpräsentation dominiert – auf Kosten der Qualität. Dies führt zu einer mangelhaften Immunerkennung von Tumoren.“Checkpoint-Proteine zügeln Immunantworten. So verhindern sie, dass gesunde Zellen abgetötet werden. In manchen Fällen – wenn Proteine, die sich auf der Oberfläche von T-Zellen des Immunsystems befinden, an Partnerproteine auf Krebszellen binden – senden erstere ein „Off“-Signal an die T-Zellen und hindern sie daran, die Krebszellen zu töten. Immuntherapeutika, so genannte Immuncheckpoint-Inhibitoren, verhindern die Bindung solcher Checkpoint-Proteine an ihre Partnerproteine. Das Off-Signal wird nicht gesendet – die T-Zellen können die Krebszellen töten.

Viele krebskranke Menschen sprechen jedoch nicht auf eine Immuntherapie an. Daher ist es wichtig, die Biomarker zu ermitteln, die vorhersagen können, welche Betroffenen von dieser Behandlung profitieren würden. „Es wäre eigentlich anzunehmen, dass Generalisten bei der Tumorerkennung von Vorteil sind, da sie die mutierten Proteinfragmente der Krebszellen mit größerer Wahrscheinlichkeit binden und präsentieren können. Überraschenderweise mussten wir das Gegenteil feststellen. Wir konzentrierten uns auf Patientinnen und Patienten, die mit einer Immuntherapie der Immuncheckpoint-Blockade behandelt wurden. Wir konnten zeigen, dass Betroffene mit generalistischen HLA-Varianten schlechtere Überlebenschancen haben, obwohl Generalisten mit größerer Wahrscheinlichkeit dem Immunsystem mutierte Krebspeptide präsentieren“, merkt Dr. Manczinger an.

Der Grund dafür ist, dass Generalisten nicht selektiv sind und dem Immunsystem sowohl Selbstpeptide als auch von Krebsmutationen stammende Peptide präsentieren. Da das Immunsystem die beiden nicht unterscheiden kann, erkennt es die Krebszellen als gesunde Zellen. Der nächste Schritt für die Forschenden, die von den Projekten resistance evolution (Bacterial evolution of hypersensitivity and resistance against antimicrobial peptides) und HCEMM (Establishing the Hungarian Center of Excellence for Molecular Medicine in partnership with EMBL) unterstützt werden, besteht darin, „zu untersuchen, ob Personen mit generalistischen HLA-Molekülen generell für verschiedene Tumore anfällig sind“.

Weitere Informationen:

Projekt resistance evolution

HCEMM-Projektwebsite


Datum der letzten Änderung: 2021-09-16 17:15:01
Kommentare
Privacy Policy