Ein neues Halbmetall trifft ins Quantenschwarze

Die Entdeckung der außergewöhnlich reinen Eigenschaften eines neuen Halbmetalls bildet die Grundlage für eine neue Klasse an Quantenmaterialien, die leistungsstarken neuen Quantentechnologien den Weg ebnen könnten.

Die Halbmetallforschung hat vor Kurzem durch die Entdeckung eines Materials, das zu der Entwicklung fortgeschrittener Quantentechnologien führen könnte, einen wichtigen Schritt nach vorne zurückgelegt. Ein Forschungsteam aus Österreich und den Vereinigten Staaten wies nach, dass ein von ihm untersuchtes Halbmetall ohne äußere Einflüsse einen natürlichen quantenkritischen Zustand erreichen konnte. Ein Artikel in der Fachzeitschrift „Science Advances“ beschreibt die Forschungsbemühungen, die vom EU-finanzierten Projekt EMP unterstützt wurden.

Wenn Materialien von einem Aggregatszustand in einen anderen übergehen, zum Beispiel von fest zu flüssig, wenn Eis sich erwärmt und schmilzt, hängt dies normalerweise mit Temperaturänderungen zusammen. Solche Phasenübergänge finden jedoch auch statt, wenn sich magnetische und supraleitende Zustände ergeben. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die die Quanteneigenschaften von Materialien erforschen, streben danach, Phasenwechsel am absoluten Nullpunkt der Temperatur zu erwirken, an dem Quantenfluktuationen auftreten. Wenn es zu einem solchen Übergang kommt, wird dies als quantenkritischer Punkt bezeichnet. „Sich diesem Punkt anzunähern ist normalerweise äußerst schwierig und Sie können sich nie sicher sein, ob das betrachtete Material den tatsächlichen quantenkritischen Punkt erreichen würde“, merkt der Hauptautor der Studie, Wesley Fuhrman von der Johns Hopkins Universität, in einer auf „EurekAlert!“ veröffentlichten Pressemitteilung an. „Stellen Sie sich eine Zielscheibe vor, bei der das Schwarze immer kleiner wird, je mehr Sie die Temperatur senken.“Das untersuchte Material bestand aus einem Teil Cer (Ce), vier Teilen Ruthenium (Ru) sowie sechs Teilen Zinn (Sn) und wurde an der Technischen Universität Wien hergestellt, einer Partnereinrichtung des Projekts EMP. Experimente zur magnetischen Suszeptibilität, spezifischen Wärme und inelastischen Neutronenstreuung offenbarten, dass das Halbmetall CeRu4Sn6 völlig ohne Außeneinwirkung natürliche quantenkritische Eigenschaften aufwies.

„In unserem Fall scheint CeRu4Sn6 über einen quantenkritischen Punkt zu verfügen, der ganz ohne diese Pfuscherei auskommt – eine reine Quantenkritikalität, bei der der Pfeil immer ins Schwarze trifft“, so Fuhrman. „Ein Material am quantenkritischen Punkt lässt sich ideal manipulieren, da es sich genau am Übergang zwischen mehreren Phasen befindet“, merkte er an und betonte damit, wie wichtig es für die Entwicklung von Quantentechnologien ist, Quantenzustände manipulieren zu können.

In Quantencomputern – der Quantentechnologie, die den Menschen am vertrautesten ist – werden Daten in Qubits gespeichert. Die Steuerung ihrer Quantenzustände bereiten Forschenden zurzeit jedoch noch erhebliche Schwierigkeiten. Das neue Halbmetall scheint mit bestimmten Quantenzuständen großer Stabilität aufzuwarten, die nicht leicht von Außeneinwirkungen gestört werden, was es zu einem vielversprechenden Material für Quantencomputer macht. Zwar ist noch weitere Forschungsarbeit erforderlich, jedoch konnte das Team angesichts dieser Hinweise Hoffnung schöpfen, dass auch andere Materialien mit diesen Quantenzuständen gestaltet werden können.

Das sei bedeutsam, da zahlreiche Quantenmaterialien nötig sein werden, um Quantentechnologien Wirklichkeit werden zu lassen, erklärt Fuhrman in der Pressemitteilung weiter. „Ein Auto beruht auf wesentlich mehr, als nur auf einem Verbrennungsvorgang in einem Zylinder. Um die Quantentechnologie ins Rollen zu bringen, benötigen wir Quantenkühler, Quantensensoren sowie Qubits, die das Herzstück von Quantencomputern bilden.“

Das Projekt EMP (European Microkelvin Platform) wird von der Universität Heidelberg koordiniert. Es läuft bis Ende Juni 2023 und stellt eine verbesserte Plattform zur Erforschung von Quantenmaterialien und -technologien bei äußerst niedrigen Temperaturen bereit.

Weitere Informationen:

EMP-Projektwebsite


Datum der letzten Änderung: 2021-07-27 17:15:01
Kommentare
Privacy Policy