Aufnahmen der Sonne: Künstliche Intelligenz erreicht ähnlich gute Qualitätsbewertung wie der Mensch

Mit Hilfe von Deep Learning haben EU-geförderte Forschende eine neue Methode entwickelt, mit der sich die Bildqualität von Aufnahmen der vollständigen Sonnenscheibe zuverlässig bewerten lässt.

Mit der immensen Menge an Daten aus boden- und weltraumgestützter Beobachtung der Sonne, die in den letzten Jahren gewonnen worden ist, hat die Ära von Big Data nun auch im Fachgebiet der Solarphysik begonnen. Angesichts der reinen Masse an Daten reicht eine Analyse ausschließlich durch menschliche Beobachtung nicht mehr aus. Um eine ausreichend gute Qualität der Bilder für eine spätere wissenschaftliche Analyse garantieren zu können, muss es ein objektives Maß für die Bildqualität geben. Dies trifft insbesondere auf bodengestützte Beobachtungen zu, wo Wolken oder andere Umgebungsbedingungen die Bildqualität beeinflussen können.

„Wir Menschen bewerten die Qualität eines Bildes, indem wir es mit einem idealen Referenzbild der Sonne vergleichen“, erklärte Tatiana Podladchikova vom russischen Skolkovo-Institut für Wissenschaft und Technologie in einer Nachrichtenmeldung auf der Website Phys.org. „Ein Bild mit einer Wolke vor der Sonnenscheibe wäre zum Beispiel eine große Abweichung von unserem imaginären Idealbild und würde somit als niedrige Qualität gekennzeichnet werden, während kleine Schwankungen für die Gesamtqualität nicht so ausschlaggebend wären. Konventionelle Messsysteme können nur bedingt eine Qualitätsskala liefern, welche die Eigenschaften der Sonne außen vor lässt, und meistens berücksichtigen sie die Wolken nicht“, so Prof. Podladchikova, die gemeinsam mit drei Forschenden von der Universität Graz mit Hilfe künstlicher Intelligenz (KI) eine menschenähnliche Qualitätsbewertung erzielen konnte.Mit Unterstützung des EU-finanzierten Projekts SOLARNET (Integrating High Resolution Solar Physics) hat das Team eine neue Methode für die zuverlässige Qualitätsbewertung von Bildern aus der bodengestützten Beobachtung der vollständigen Sonnenscheibe erarbeitet. Wie in einer wissenschaftlichen Arbeit in der Fachzeitschrift „Astronomy & Astrophysics“ beschrieben, kommt bei dieser Methode ein unbeaufsichtigtes Deep Learning zum Einsatz, das von qualitativ hochwertigen Bildern lernt. Ein neuronales Netz erlernt dabei zum einen die Eigenschaften qualitativ hochwertiger Beobachtungsbilder und zum anderen, wie entsprechende Abweichungen erkannt werden können. So entsteht ein objektiver Bewertungsmaßstab für die Bildqualität und Anomalien in den Daten werden zuverlässig aufgezeigt.

„In unserer Studie haben wir die Methode bei Beobachtungen im Observatorium Kanzelhöhe für Sonnen- und Umweltforschung eingesetzt und zeigen können, dass sie in 98,5 % der Fälle die gleichen Ergebnisse liefert wie ein Mensch“, berichtete der Hauptautor Robert Jarolim vom Projektpartner Universität Graz in dem Artikel auf „Phys.org“. „Aus den angesetzten vollständigen, ungefilterten Beobachtungstagen hat sich ergeben, dass das neuronale Netz alle schweren Qualitätsabstriche korrekt erkennt und die Auswahl der besten Bilder ermöglicht, was wiederum eine belastbarere Beobachtungsreihe ergibt. Auch für zukünftige Netzwerkteleskope ist das von Bedeutung, wenn Beobachtungen aus verschiedenen Standorten in Echtzeit gefiltert und kombiniert werden müssen“, so Jarolim weiter.

„Solardaten sind im Hinblick auf die Gesamtmenge der gewonnenen Informationen das größte Projekt unserer Zeit. Mit dem Start der jüngsten richtungsweisenden Solarmissionen – den Raumsonden Parker Solar Probe und Solar Orbiter – erhalten wir ab jetzt immer größere Datenmengen, die neue wertvolle Erkenntnisse liefern. In unserem Forschungsbereich gibt es noch keine Fußstapfen, in die wir treten könnten. Bei täglich so vielen neuen Informationen müssen wir einfach neue, effiziente KI-gestützte Verarbeitungsmethoden entwickeln, um die größten Herausforderungen der Menschheit anzugehen“, wird Prof. Podladchikova zitiert. Die neue Methode des Forschungsteams ermöglicht eine zuverlässige Bewertung der Bildqualität in Echtzeit, ohne Rückgriff auf Referenzbeobachtungen. Der Studie von SOLARNET zufolge wäre der Ansatz auch für ähnliche astrophysikalische Beobachtungen geeignet und „dazu müsste nur ein kleiner Datensatz von Hand grob gekennzeichnet werden.“

Weitere Informationen:

SOLARNET-Projektwebsite


Datum der letzten Änderung: 2021-01-22 17:15:01
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