Wissenschaft im Trend: Computerchip bahnt den Weg zum Quantencomputing

In wenig mehr als drei Minuten löst ein Quantencomputer ein komplexes Problem, mit dem der leistungsfähigste Supercomputer tausende Jahre beschäftigt wäre.

Seit mehreren Jahrzehnten träumt die Welt davon, ein robustes, fehlerfreies Gerät zu bauen und einzusetzen: den Quantencomputer. Er soll jeden anderen Computer seiner Zeit weit übertreffen. Dieser Computer würde eine überwältigende neue Größenordnung in der Rechenleistung in unser Leben bringen.

Einer in dem Fachjournal „Nature“ veröffentlichten Studie zufolge hat ein Wissenschaftler- und Forscherteam den Sycamore-Chip von Google für eine Berechnung eingesetzt, die in einem klassischen Supercomputer 10 000 Jahre dauern würde. Das Team benötigte mit seiner Maschine nur 200 Sekunden. „Mit unserem Experiment übernehmen wir die Quantenherrschaft. Das ist ein Meilenstein auf dem Weg zum umfassenden Quantencomputing“, behauptet die Gruppe in der wissenschaftlichen Arbeit.

Quantensprung

„Wir hoffen darauf, dass die Leute wirklich begeistert darüber sein werden, was wir von Google zu bieten haben, wenn sie erst damit anfangen, dies zu nutzen und sich mit der Leistungsstabilität und der Cloud-Schnittstelle befassen“, äußerte sich John Martinis, leitender Wissenschaftler des Unternehmens im Bereich Quantenhardware, gegenüber „Reuters“. „Wir sind ziemlich zuversichtlich, dass wir das in Zukunft alles sicher hinkriegen.“ Michael Kratsios, US-Technikvorstand, fügte hinzu: „Die Vereinigten Staaten haben in Bezug auf den Quantencomputer einen großen Sprung nach vorn gemacht.“

Die schnellsten Computer von heute lösen ihre Aufgaben mit Datenfragmenten, den Bits, die immer nur die Werte 1 oder 0 annehmen können. Quantencomputer nutzen Quantenbits bzw. Qubits, die gleichzeitig 1 und 0 sein können. Daraus lassen sich die verblüffenden Verarbeitungsgeschwindigkeiten ableiten.

Das Team entwarf einen Quantenprozessor aus 54 Qubits und löste mit diesem eine Aufgabe aus dem Bereich der Zufallszahlengenerierung. Innerhalb von 200 Sekunden führte die Sycamore-Maschine die Zielberechnung durch und bestätigte deren Genauigkeit. Dieser Vorgang ist 1,5 Billionen Mal schneller als bei einem normalen Computer.

Sind die Quantencomputer der neuen Generation dazu bereit, die althergebrachten Supercomputer weit hinter sich zu lassen?

Schätzt Google seine Leistung zu hoch ein? Bei IBM geht man davon aus, dass Google bei seiner hochgelobten Maschine übertreibt. Im offiziellen Blog von IBM heißt es, dass Google es riskiert, die Öffentlichkeit irrezuführen, und dass die Schwierigkeit der Rechenaufgabe überschätzt wurde. IBM stellte die Behauptung auf, dass das Problem mit einem normalen Computer in nur 2,5 Tagen statt 10 000 Jahren gelöst werden könnte. „Wir fordern die Gemeinschaft auf, Behauptungen, dass ein Quantencomputer erstmalig etwas getan hat, was ein klassischer Computer nicht kann, mit einer großen Dosis Skepsis zu behandeln.“ In dem Eintrag heißt es weiter: „Quantencomputer werden nie über klassische Computer ‚herrschen‘, sondern mit ihnen zusammenarbeiten, da jeder über seine eigenen Stärken verfügt.“

Das Autorenteam ruht sich jedoch nicht auf seinem lang ersehnten technischen Meilenstein der „Quantenherrschaft“ aus. Es sieht einen Bedarf an verbesserter Hardware und fortgeschrittenen Überwachungsmethoden, damit die Macht der Quanten richtig genutzt werden kann.

„Im Zuge dieser Entwicklungen verwandelt sich das Quantencomputing von einem Forschungsthema in eine Technologie, die neue rechnerische Möglichkeiten erschließt“, beendet das Autorenteam die Abhandlung. „Wir sind nur noch einen kreativen Algorithmus weit von wertvollen, unmittelbar bevorstehenden Anwendungen entfernt.“


Datum der letzten Änderung: 2019-11-13 17:15:04
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