Wie erschwingliche Sensoren mithilfe von Schleimpilz entwickelt werden können

Im Rahmen einer EU-Initiative wurde durch die Fusion von Bio- und digitaler Technologie ein hybrider Biosensor entwickelt.

Physarum polycephalum, was wörtlich so viel bedeutet wie vielköpfiger Schleim, ist ein Schleimpilz, der in feuchten und dunklen Lebensräumen wie z. B. Faulholz angesiedelt ist. Dank seiner Fähigkeit auf Reize wie Licht, Chemikalien und Schwingungen zu reagieren, hat dieser einzellige, selbstwachsende Organismus die Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern erregt. Aufgrund seines Verhaltensmusters, ein Netz von protoplasmischen Röhren zu bilden, um auf kürzestem Weg an seine Nahrungsquelle zu gelangen, hat sich der Schleimpilz in der Informatik als hilfreich erwiesen, in der die Wegplanung ein häufig untersuchtes Themengebiet ist.

Unter Nutzung des Schleimpilzes wird im Rahmen des EU-finanzierten Projekts PhySense (Physarum Sensor: Biosensor for Citizen Scientists) an der Entwicklung vermarktbarer Biosensoren für verschiedene Anwendungsbereiche wie Umweltüberwachung und Gesundheit gearbeitet. Laut einer Pressemitteilung der Europäischen Kommission hat das Projektteam die kostengünstige Prototypen-Biosensortechnologie Universitäten, Schulen, Forschungszentren und zivilen Wissenschaftlern zur Verfügung gestellt. Das Projekt hat auch ein Online-Portal und eine Datenbank, in der Beteiligte ihre Erkenntnisse mitteilen können.

Breites Anwendungsspektrum

In der gleichen Pressemitteilung sagt Neil Phillips, Forscher und Entwicklungsleiter des Projekts: „Aufgrund weiterer Umweltkontaminanten, die für den Menschen und das gesamte Ökosystem eine Gefahr darstellen können, ist der Bedarf für schnellere und präzisere Biosensoren hoch.“

Ein Biosensor wandelt eine biologische Reaktion in ein elektrisches Signal um. Unter Anwendung der gleichen Logik wird dafür gesorgt, dass sich der Schleim zwischen Elektroden bildet, die mit elektronischen Geräten verbunden sind, um die Reaktionen des Organismus auf verschiedene Reize wie Umgebungslicht, Feuchtigkeit und Nährstoffe zu verstärken und zu messen. Die PhySense-Software berechnet und verfolgt Änderungen in der Frequenz und Amplitude von Oszillationen in den röhrenförmigen Strukturen, welche den Großteil des Körpers von Physarum polycephalum bilden.

Projektkoordinator Prof. Andrew Adamatzky betont, dass jeder einen schleimbasierten Biosensor betreiben könne, da dieser kein hochentwickeltes Lebenserhaltungssystem benötige. „Daher entschieden wir uns dafür, ein autonomes Lebewesen in Erwägung zu ziehen, das keine anspruchsvolle Unterstützung benötigt und für lange Zeit ohne Laborausrüstung überleben kann“, erklärt er in der Pressemitteilung. Zu den Bereichen, in denen Biosensoren verwendet werden können, zählen Wirkstoffentdeckung, Biomedizin, Lebensmittelsicherheit, Verteidigung und Sicherheit.

Ideales Tool

PhySense, das 2018 endete, ist eine Fortsetzung des Projekts PhyChip (Physarum Chip: Growing Computers from Slime Mould), das zwischen 2013 und 2016 lief. PhyChip zeigte, dass der Schleimpilz als Transducer oder lebendiger Energiewandler in mechanischen, optischen und chemischen Sensoren verwendet werden kann. Auf der Projektwebsite heißt es: „Wir stellten fest, dass das Plasmodium von P. polycephalum ein ideales biologisches Substrat ist, da es ,simpel‘ genug ist, um als räumlich ausgedehntes nichtlineares Medium untersucht zu werden, aber dennoch ein robustes und reichhaltiges Verhalten hat, um ein breites Spektrum an Rechenoperationen zu implementieren.“ Diese Aufgaben umfassten das Lösen von Labyrinthen, das Berechnen leistungsfähiger Netze, das Erstellen von Logikgattern, das Aufgliedern räumlicher Konfigurationen von Datenpunkten und die Robotersteuerung.

Weitere Informationen:
PhySense-Projektwebsite


Datum der letzten Änderung: 2019-10-25 22:49:06
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